Biomedien, Biodigitalität – Das Leben unter hochtechnologischen Bedingungen
Das Medium Film besitzt schon immer einen besonderen Status als Instrument zur Erkenntnis psycho-physiologischer Funktionen des Menschen. In das filmische Dispositiv sind aber nicht nur die Bedingungen menschlicher Wahrnehmung implementiert, sondern der Film schmiegt sich auf charakteristische Weise mimetisch an das Leben selbst an. Bereits 1909 stellt der österreichische Biologe Julius Ries die ersten mikrokinematografischen Aufnahmen von Zellprozessen her. Besonders ist an diesen Veranschaulichungen, dass Film als Bewegungsbild und die Lebendigkeit der Zelle eine eigentümlich „natürliche“ Verbindung eingehen. Zudem entstehen schon um 1900 Bildrepräsentationen, deren Inhalte mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbar sind. Heutzutage sind mediale Techniken sowie Visualisierungsstrategien (des „Körperinneren“) aus den Labors der Biotechnologien nicht mehr wegzudenken. Was im sogenannten „wet lab“ bspw. an Proteinen zur DNA-Rekombination für transgene Pflanzen und Tiere extrahiert wird, kann mittels Computerprogrammen im virtuellen Raum experimentell neu zusammen gesetzt werden. Aber auch Proteine, Säuren und Basen von Genomen werden gezielt als Medien zur Informationsübermittlung eingesetzt, mittels derer Organismen sich anders verhalten, als „von Natur aus“. Im Verlauf der vergangenen 100 Jahre hat sich durch technisch-wissenschaftliche Technologien eine wesentliche Verschiebung mit Bezug auf das Lebendige eingestellt: Während Ries noch veranschaulichen wollte, wie der „natürliche“ Lebensprozess abläuft, werden heutzutage Medien eingesetzt, um das „Leben an sich“ auf dem Reißbrett mitzugestalten. Von der Frage nach Funktion und Organisation des Lebendigen sind die Life Sciences zur Produktion übergegangen. Dabei lautet ein wesentlicher Leitsatz, dass das Biologisch-Natürliche im Vordergrund stehe, das Technische nur eine auxiliarische Funktion einnehme. Aber, ist das wirklich der Fall? Dass man hier nicht mehr nur von Repräsentation bezüglich der Funktion von Medien sprechen kann, ist klar. Vielmehr sind Medien und Biologie zu einem technisch-medialen – und kommerzialisierten – Konglomerat verschmolzen. Diese Verschmelzung hat auch kulturelle Auswirkungen. Wenn ganze Organe aus Stammzellen gezüchtet, sogar Menschen geklont werden können, dann steht nichts Geringeres als das Humane und die menschliche Identität auf dem Spiel. Das Kino wiederum ist ein kultureller Ort, an dem diese Problematik mit Vorliebe verhandelt wird. Im Seminar fragen wir deshalb, in welchem Verhältnis die (Re-)Produzierbarkeit biologischer Substanzen bspw. durch Gentechnik und Klonen zur technischen Reproduzierbarkeit von Bildern steht. Wie wirkt sich dieses Verhältnis auf kulturelle Vorstellungen vom menschlichen Leben, aber auch vom Tod, vom Körper, von Geschlecht, von Krankheit und Gesundheit aus? Welche Auswirkungen besitzt dies wiederum auf gesellschaftliche Strukturen wie Subjektivität, Familie und Generationenfolgen? Wir werden zunächst einen Begriff von Biomedien im Kontext ihrer wichtigsten kulturellen Dispositive erarbeiten. Dann werden wir anhand von Filmen aus den vergangenen 30 Jahren nachvollziehen, wie das Kino als kulturelle Technologie mit der Konvergenz von Biologischem und Technischem umgeht. Welche Ängste vor dem Verlust der Einigartigkeit des humanen Lebens werden bspw. aufgeführt? Welches Begehren wird aber auch produziert und vermittelt, dieses Leben mittels Technologien zu kontrollieren und regulieren. Welche neuen Lebensformen entstehen hierdurch überhaupt? Unser Filmmaterial wird sein: The Stepford Wives (USA 1975), The Clonus Horror (USA 1979), Blade Runner (USA 1982), Gattaca (USA 1997), Code 46 (GB 2003), Blueprint (D 2005), The Island (USA 2005), Teknolust (USA/GB/D 2005).