Ausstellungsführung

Führung im Rahmen der Ausstellung „Play Gender“ beim Ladyfest Köln (21.-23. November 2009 ) im Kulturbunker Mühlheim zu Arbeiten von: Anis, Hans Diernberger, Mimikry, Phillip Jaan, Lisa Klinkenberg, Sandra Stein, Jens Pecho, Esther, Sara Katrine Thiesen, Timo Seber, Daniela Krneta, Martina Klauser.

Dass unsere Gesellschaften, Kulturen und Lebenswelten immer noch durch die hetero-männlich installierte, heteronormative Matrix bestimmt ist, wird hier niemand bestreiten wollen. Ein einziger Blick in die Medien genügt, um uns klar zu machen, dass Geschlecht immer noch als männlich und weiblich auf der Agenda steht, auch wenn mittlerweile die Spielregeln zumindest an der Oberfläche dahingehend gelockert zu sein scheinen, dass unsere Sexualitäten und unsere geschlechtlichen Identitäten vielfach mit einander kombinierbar sein können/dürfen.

PlayGender nimmt dies auf. Auch wenn die Veranstalterinnen selbst verkünden, dass es sich um einen nicht ganz so neuen Ansatz handelt, ist es doch ein bewährter, vor allem auch ein bewusster, weil doppeldeutiger. PlayGender ist eine schöne Denotation und gleichzeitig ein doppelbödiges Wortspiel, wenn man die Begriffe vertauscht.

Obwohl wir von Judith Butler wissen, dass wir der Interpellation des Symbolischen nicht entgehen können, sondern direkt von den Inhalten der Geschlechternormen getroffen werden, sollten wir ihnen nicht so viel Macht über uns zugestehen, sie nicht so ernst nehmen. Das hat insbesondere Eve Kosofsky Sedgwick als direkte Antwort auf Butler in die Formulierung gekleidet, dass es maßgeblich darauf ankommt, wie wir mit diesen Anrufungsformen umgehen, sie also wie einen Pingpongball spielen, aber eben nicht direkt zurückspielen sollen. Und doch geht es eben um dieses Spannungsverhältnis zwischen dem „Spiel der Geschlechter“ und dem „Geschlechter spielen“.

Dazu ein Zitat vom großen Spiel-Theoretiker bzw. Ludologen John Huizinga:

 

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig vorgenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des „Andersseins“ als das gewöhnliche Leben“

Das Spiel selbst ist ebenfalls immer zweipolig: Einerseits gibt es auf der formalen Ebene Regeln, die auch gekannt und eingehalten werden müssen. Andererseits ist spielen auf der Handlungsebene eine selbstgenügsame, zweckfreie Betätigung, die – wenn überhaupt – als Ziel oder Zweck oder Gratifikation die Entspannung, das Vergnügen, ja den Lustgewinn hat. Spielen tut man für sich selbst oder höchstens noch in einer Gemeinschaft von ähnlich Interessierten. Auch wenn wir beim Spielen die ritualisierten, wiederholbaren Regeln, den Algorithmus also, anwenden, können wir immer beim Ereignis selbst, das an Raum-Zeit-Parameter und die Materialität bspw. unserer Körper gebunden ist, Änderungen erzielen. Manchmal machen wir dies weniger bewusst, manchmal sehr bewusst, also strategisch, manchmal kennen wir unsere Strategien genau und wissen, was wir mit ihnen bewirken wollen. Im Fall von Gender wären die bekannten die Evokation und Verschiebung, die unautorisierte Aneignung, die widerständige Wiederholung, die Dekontextualisierung und die damit verbundene Rekontextualisierung. Manchmal ist es uns aber auch egal, wir spielen Geschlechter, weil wir unser Vergnügen daran haben, ohne zu kalkulieren, was schlussendlich dabei herauskommt. Möglicherweise können aber gerade so, je länger und je öfter die AkteurInnen und AgentInnen dieser Gemeinschaft spielen, auch die Algorithmen modifiziert werden. Wie ihr seht oder sehen werdet, geht es also nicht nur darum, gesteckte Spielräume zu nutzen, sondern die Grenzen dieser Räume beim Nutzen durch Deplatzierungen, Überwucherungen, Neubildungen, zu erweitern.

 

Alle Arbeiten und künstlerischen Positionen nehmen Bezug zu den Regeln, die das Genderplay/PlayGender vorgibt, ohne dass damit schon bestimmt wäre, dass bzw. wie sie beim „durchspielen“ angewendet werden. Viele der KünstlerInnen machen dies vor dem Hintergrund ihrer persönlichen – die ja auch immer eine politische ist – Position (Kunst hat, wie wir wissen, kein Geschlecht, aber die Menschen, die sie betreiben, schon). Die künstlerischen Strategien vervielfältigen, veruneindeutigen, überhöhen, depotenzieren dabei diese Geschlechterregeln auf ganz unterschiedliche, heterogene Art und Weise, so dass die Arbeiten selbst als Zeugnis eines Spielprozesses auffassen kann: Es geht nicht immer nur um das Prinzip des Sichtbarmachens von „verkehrten Darstellungsweisen“ oder „von bislang Mariginalem“ von scheinbar klaren Inhalten, sondern vielmehr darum, Wege, Möglichkeiten, Potenzialitäten sich ereignen zu lassen, umzusetzen, zu erarbeiten, zu verwirklichen, zu streuen, wirken zu lassen. 

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