SoSe Universität zu Köln, Arbeitskreis Geschichte und Film
Reel Love – Liebe, Affekt und Begehren in der Filmgeschichte
Lässt sich die Geschichte der Liebe (nicht nur) im Kino wirklich folgendermaßen beschreiben? In den 1920er und 30er Jahren hält ein warenförmiges, konsumorientiertes Moment der Liebe Einzug, das vor allem die Klassenschranken thematisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu den späten 1950er Jahren findet vor allem in den USA ein Restaurationsversuch statt, der vor dem Hintergrund der nivellierten Mittelstandsgesellschaft die Geschlechtergrenzen zuspitzt und das Motiv der romantischen Liebe propagiert. In Deutschland wiederum ernüchtert sich die Liebe vor dem Hintergrund jüngst vergangener mörderischer Exzesse und bildet vernünftige, immer aber dröge und spießige Familienkonstellationen. In den 50er und 60er Jahren flechtete aber auch das koloniale Subjekt eine ganz eigene, subalterne Sicht auf Liebe, Affekt und Begehren unter den Bedingungen rassistischer und kolonialer Stratifizierung in die kinematographische Bilderwelt mit ein. Die 60er und 70er Jahre brechen diese Stratifizierungen in der westlichen Industrienationen auf und verfolgen mit einem falsch verstandenen Antifaschismus die Freisetzung des Liebessubjekts unter den Bedingungen der Marktgesetze – sexuelle Revolution und Befreiung erzeugt eine Ausweitung der Kampfzone auch auf den Geschlechterbereich. Die 80er Jahre reagieren auf diese Krise des liebenden Subjekts und bringen eine Pornographisierung der intimen Verhältnisse hervor, die durch neuen Techniken wie den Videorekorder in den Filmgenres des Affekts – Splatter und Porno – umgesetzt werden. Am Ende der 80er Jahre und in den frühen 90ern verwirrte das queer Cinema die Gewissheiten des heteronormativen Subjekts. In den postmodernen 1990er Jahren erscheint schließlich der in sich gekehrte, antisexuelle und liebesunfähige coole Yuppie auf den Leinwänden, der nur noch sich selber lieben kann. Dieser stellt wiederum den Vorläufer des gegenwärtigen, auf Selbsttechnologien strukturierten Einzelkämpfer dar, der zwar wieder heiratet und Familien gründet, dies jedoch nur noch als Farce und leeres Spektakel inszenieren kann. Oder ist alles ganz anders?