Lehre

WS 2008/09 Universität zu Köln

Inseln und Meer im Film

Inseln sind geophysikalisch betrachtet, relativ kleine Landmassen, umschlossen von Wasser, zumeist Meer. Sie besitzen eine jeweils einzigartige Geomorphologie, meist ihr eigenes Klima, abhängig von der Lage, auf der sich besondere Biotope, spezifische Floren und Faunen entwickeln. Zugleich können sie ganz verschiedenen sein, je nachdem, aus welchen Gesteinsmassen sie bestehen, vulkanisch, die Spitze einer riesigen unterseeischen Tektonik oder nur aus Sand. Sie können Teil einer Inselgruppe sein oder ein einzelnes Atoll. 

Nun aber zu denken, Inseln definieren sich topographisch nur durch ihre Abgeschlossenheit, wäre allzu naiv. Denn was wir als Insel definieren und auf welche Weise, hängt von vielen Faktoren ab, die letztlich sämtlich kulturell und historisch spezifisch codiert sind. Inseln sind kulturelle Artefakte, für die gerade charakteristisch ist, dass sie kulturell und auch räumlich kontextualisiert sind. 

Inseln bilden Topoi, und je nachdem, wie man auf sie blickt, geraten unterschiedliche Aspekte in den Blick. Der Blickpunkt macht schon einen Unterschied: Schaue ich von einer Insel aus auf das sie umgebende Meer oder schaue ich vom Meer oder gar aus der Luft darauf. Die Perspektive von der Insel aus ermöglicht eine Imagination von Weite, von der Unendlichkeit des Horizonts oder auch vom nahe gelegenen Festland. Blicke ich vom Meer aus auf die Insel, erscheint sie mir als Rettungsanker, der mir festen Boden unter den Füßen garantiert. Die Vogelperspektive vermag Auskunft über die Distanz der Insel zu anderen zu geben. Möglicherweise existiert ja ein ‚Meer von Inseln’ (Archipel), und es bildet sich ein Netzwerk, das durch das Wasser als Medium verbunden ist. 

Und da ist die Insel selbst: Mit ihren meist aus Sand bestehenden Stränden bildet sie einen Grenzbereich zum Meer, der, wie Mandelbrot bei der Berechnung seiner Fraktale gezeigt hat, so gut wie unberechenbar ist. Mit jeder Welle und der dadurch bewegten Körnchen verändert die Insel ihre festen Grenzen. Auch andere Unbestimmheitszonen ergeben sich bei näherer Betrachtung. Das Klima, das auf der Insel herrscht, ist sowohl durch Meeresströmungen als auch durch klimatische Bedingungen an anderen Orten der Welt bedingt; Tourismus und wissenschaftliche Expeditionen verändern – nur allein durch Beobachtung schon – das Gleichgewicht der inselinternen Flora und Fauna. 

Und dann ist da die menschliche Imagination über die Insel: Als Topos der Abgeschlossenheit nimmt sie Gestalt der Utopie, Heterotopie, Dystopie oder sogar Achronie an. Sie ist ein beliebter Ort für die Projektion von Wünschen, sie fungiert als Bild des paradiesischen Urzustands (‚der Menschheit’), der sich endlos ausdehnt, Wiederholung des Immergleichen. Oder auch gerade nicht. Ebenso wie das Meer, das zugleich Medium und ebenfalls Projektionsfläche sein kann, meist für das Dunkle, Unbewusste, für archaische Ängste, aber auch für kollektive Sensationen. 

Im Seminar besprechen wir Filme, die diese verschiedenen Aspekte und Funktionen von Insel und Meer aufgreifen und ihre jeweils eigene Geschichte davon erzählen. Diese Historiographien versuchen wir auf die Frage nach dem ‚Subjekt’ zuzuspitzen, vom ‚monadischen Subjekt’ der Moderne bis zur ‚nomadischen Subjektivität’ des Schwarms, des Netzwerks in der Postmoderne. Unsere Leitfrage ließe sich folgendermaßen formulieren: Was passiert (heute, damals, woanders) beim Inselschauen? Was ist das Begehren, das sich in den Filmen realisiert?

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