Einführung in die Theorie Michel Foucaults für HistorikerInnen
Es ist sicherlich nicht übertrieben, zu sagen, dass Michel Foucault einer der einflussreichsten Denker des 20./21. Jahrhunderts ist. Disziplinär in der Philosophie angesiedelt, hat er sich nicht für Ideengeschichte interessiert. Vornehmlich im politisch-historischen Kontext Frankreichs der 1960er Jahre aktiv tätig, verschrieb er vielmehr sein gesamtes Oeuvre dem Themenkomplex von Wissen und Macht, die seiner Ansicht nach intrinsisch verbunden und in soziokulturelle Institutionen sowie Praktiken implementiert sind. Was also gewusst wird – die so genannte „Wahrheit“ – ist immer Reflexion von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, von Klassenkämpfen.
Eines der wichtigsten Denkaxiome Foucaults liegt dabei in der Feststellung, dass Macht selbst niemals repressiv, sondern immer heterogen, ja sogar widersprüchlich ist. Deshalb entziehen sich die Regeln, nach denen etwas gewusst werden kann, d. h. die Art und Weise, wie Wissen und Wahrheit produziert werden, stets partiell dem Bewusstsein. Veränderungen von Machtverhältnissen lassen sich somit einmal durch die Analyse von Wissensordnungen ermitteln. Zudem zeigen sich Veränderungen innerhalb von Wissensordnungen primär an Brüchen und Verschiebungen im Denken. Damit ist die Methode Foucaults zutiefst historisch. Zugleich existiert nichts, was über die Faktizität des Wissens in verschiedenen Repräsentationsarten über die Jahrhunderte hinaus oder etwa hinter ihnen gegeben wäre: Der Diskurs besitzt Faktizität und kein „Unbewusstes“. Schließlich gehört es zum heuristischen Umgang mit dem Werk Foucaults, als HistorikerIn eine seiner zentralen Thesen zu beherzigen: Der eigene Blick auf das historische Material lässt dieses nicht unbeeinflusst von den eigenen Erkenntnisinteressen gemäß der Frage „Was will ich wissen?“
Auf zwei Arten wollen wir uns im Seminar der Theorie Michel Foucaults nähern, nämlich einmal bezüglich seiner Methodik. In diesem Kontext werden wir die wichtigsten Konzepte und Begriffe Michel Foucaults analysieren und uns so weit als möglich zu eigen machen: Diskurs, Dispositiv, Technologie, Archiv, Praktik. Wir werden uns mit dem Unterschied zwischen den Methoden der Archäologie und Genealogie auseinandersetzen. Zum zweiten werden wir uns mit zentralen Inhalten des Foucaultschen Werkes vertraut machen: Das Modell der Repräsentation als Wissensordnung; die Entstehung von Regierungsformen; die Gouvernementalität; die Institutionalisierung des (medizinischen) Blicks; die Disziplinierung der Körper; das Dispositiv der Sexualität; die Biomacht. Letztlich soll es auch darum gehen, mittels eigener Analysen die Sinnhaftigkeit und Anwendbarkeit der Konzepte zu überprüfen.